Sie sind hier:
Schaffen wir das? Oder schafft es uns?

Schaffen wir das? Oder schafft es uns?

Eine kritische Rückschau auf zehn Jahre deutsche Flüchtlingskrise von Petra Winkler

Am 31. August 2015 sagte Angela Merkel einen Satz, der in die Geschichte eingehen sollte wie der Berliner Flughafen: viel zu früh gefeiert, viel zu teuer und voller Versprechen, die niemand einzulösen wusste. Ihr Satz: „Wir schaffen das.“ Gemeint war die damals eskalierende Flüchtlingskrise. Zehn Jahre später bleibt die Frage: Was genau war denn zu schaffen? Und von wem eigentlich?

Ein kurzer Blick zurück in die erträumte „Sommermärchen“-Realität

Die Jahre ab 2011 lassen sich als Vorlauf eines gewaltigen gesellschaftlichen Experiments beschreiben – mit Deutschland als Versuchskaninchen im flüchtlingspolitischen Käfig.

  • 2011 begann in Syrien unter Assad ein blutiger Bürgerkrieg, Millionen Menschen flohen – zunächst in Nachbarländer und überfüllte UN-Camps; im Lauf der Zeit und aufgrund der dortigen schlechten Versorgungslage bald auch in Richtung Europa.
  • Im Frühjahr 2015 tauchte ein neues Phänomen auf: im Mittelmeer kenterte ein Boot mit Flüchtlingen nach dem anderen. Tragisch, zweifellos. Aber auch ein Weckruf, den viele Politiker ignorierten oder klein redeten. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl derjenigen, die sich über die Balkanroute auf den Weg machten.
  • Die EU versuchte sich an fairer Verteilung, an Agenda-Papieren, an EU-Ratstreffen – alles Dinge, die in Brüssel bekanntlich zuverlässig wenig bewirken.
  • Im Sommer 2015 reagierte Ungarn und zog einen Grenzzaun hoch. Merkel hingegen ließ die Grenzen offen und viele willkommensbereite Deutsche klopften sich dabei stolz auf die bunte moralische Schulter.
  • Während an Bahnhöfen Teddybären flogen, ließ die Regierung Merkel die Dublin-Regel wie ein Selbstbau-Regal ohne Anleitung in sich zusammenfallen.

Und dann, auf einer Pressekonferenz am 31. August 2015, hörten wir es: Merkels „Wir schaffen das.“ Ein Satz, so kurz wie folgenreich. Spontan, optimistisch und vor allem (wie vieles bei Merkel): alternativlos. 

Wie konnte es bei Kanzlerin Merkel so weit kommen? 

Als Physikerin und Machtpolitikerin hatte Merkel zuvor eher den Eindruck hinterlassen, möglichst sachlich und geräuschlos zu regieren. Und dann erlebte Deutschland im Juli 2015 Deutschland einen Fernsehauftritt, der rückblickend fast schon als symbolischer Wendepunkt gelesen werden kann – eine Art Triggerpunkt für die große Gefühlswelle, die folgte: Angela Merkel spricht beim Bürgerdialog mit einem Flüchtlingsmädchen namens Reem und wurde gefragt, warum die Familie vielleicht wieder abgeschoben werde. Merkel, ganz in ihrer gewohnten Nüchternheit, antwortete sinngemäß: „Tja, das kann leider passieren. So ist das Gesetz.“

Die Tränen der Reem – oder: der Moment, in dem die Sachpolitik abdankte

Das war rechtlich korrekt, menschlich ehrlich, aber politisch: ein Desaster. Denn Reem begann zu weinen. Und mit ihr weinte die Republik – nicht etwa über das restriktive Asylrecht, sondern über die angeblich „gefühlskalte“ Merkel. Die Kanzlerin streichelte noch unbeholfen den Arm des Mädchens, was auf YouTube bis heute als „Merkels kältester Moment“ kursiert.

Was folgte, war ein Paradebeispiel dafür, wie politische Kommunikation heute funktioniert: Wer weint, hat recht. Wer sachlich argumentiert, hat verloren. Wer emotional berührt, gewinnt Meinungen. Merkel wurde medial durchgebraten, als sei sie ein Cyborg mit defektem Empathiechip.

Und vielleicht war es genau dieser Moment, der ihr zeigte: Nicht Logik, nicht Recht und Ordnung, sondern emotionale Resonanz entscheidet über politische Akzeptanz. Ein Kanzlerinnenherz schmilzt eben auch manchmal im Lichte schlechter Presse. Und so wurde aus der „Wir müssen Regeln einhalten“-Merkel binnen weniger Wochen die „Wir schaffen das“-Merkel. Das war – diplomatisch formuliert – ein bemerkenswerter Schwenk. Oder, etwas direkter: Die Republik wechselte von der Sachpolitik in den Gefühlsmodus – mit allen späteren Konsequenzen.

Der moralische Höhenflug – mit Absturz ab Januar 2016

Nach dem Herbst der offenen Arme folgte der jedoch der Winter der offenen Augen:

  • In Köln versammelten sich zu Silvester Gruppen junger Männer, vorwiegend mit Migrationshintergrund, und verwandelten das Umfeld des Doms in ein Testlabor für Grenzerfahrungen – moralisch wie körperlich.
  • Der erste Impuls aus Politik und Medien: Schweigen. Der zweite: Relativieren. „Sowas gibt’s doch auch auf dem Oktoberfest“, hieß es. Nein, so etwas nicht. Es gibt dort zwar einzelne sexuelle Übergriffe, aber nicht in einem solchen Gruppen- und Rudelverhalten. Das war etwas, das es in Deutschland zuvor noch nie gegeben hatte. 

Weiter in 2016: Ein Axtangriff in einem Zug, ein Bomben-Attentat in Ansbach, ein 12-jähriger mit IS-Kontakt platziert eine Bombe auf einem Weihnachtsmarkt, die glücklicherweise nicht detoniert. Das Jahr der Attentate gipfelte im Breitscheidplatz-Massaker, bei dem ein abgelehnter Asylbewerber mit 14 Identitäten einen LKW in den Weihnachtsmarkt lenkte. Die bittere Pointe: Er hätte längst abgeschoben werden sollen – aber es fehlte das passende Papier. Bürokratie statt Verantwortung.

Terror lässt sich auf Dauer nicht schönreden

Im September 2016 kam bei Merkel eine Rolle rückwärts, allerdings nur eine kleine: „So etwas wie im Sommer 2015 darf sich nicht wiederholen“, sagte die Kanzlerin damals. Auch im Wahlkampf 2017 ruderte Merkel zumindest ein kleines Stück zurück, als sie ihr Zitat von 2015 aufgriff und ergänzte: „Wir schaffen das – war ein Arbeitsauftrag.“ 

2025 jedoch, zehn Jahre später, erklärte sie trotzig: „Wir haben viel geschafft. Und was noch zu tun ist, muss getan werden.“ So ein Satz klingt eher nach einer Bewerbung für die Kirchengemeinde, aber nicht nach politischer Verantwortung oder gar dem Eingeständnis des eigenen Scheiterns.

Haben wir’s geschafft?

Ja – wir haben etwas geschafft: Nämlich das Land zu spalten. Die einen sehen sich als moralische Leuchttürme Europas, die anderen empfinden sich als vernachlässigte Zahlknechte der Zeche.

Wie viel wir tatsächlich geschafft haben, ist fraglich. Die Politik versucht über mediale Verlautbarungen unseren schwächelnden Optimismus zu stärken. Zum Beispiel hat diese Woche das IAB eine Umfrage publiziert, derzufolge fast 70 Prozent der geflüchteten Männer in Arbeit wären, also fast so viel wie die einheimische Bevölkerung. 

Allerdings ist diese Zahl eine Hochrechnung aus einer Umfrage mit weniger als 4.000 Geflüchteten. Wenn man nur die positiven Beispiele befragt und daraus die Zahl von 70 Prozent hochrechnet, dann ist das allenfalls statistisch sauber, aber es bildet eben nicht unbedingt die reale Welt ab, sondern nur ein „Ach, das wäre schön, wenn es so wäre“.

Andere Zahlen zeigen ein anderes Bild:

  • Die Zahl der Bürgergeldempfänger aus Herkunftsländern der Flüchtlingskrise ist überproportional hoch. Rund 44 % der Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter beziehen laut BA weiterhin Bürgergeld.
  • Das Schulsystem ächzt – viele Lehrer sind überfordert, Sprachbarrieren bleiben bestehen, Klassenzimmer sind überfüllt und vor allem in Grundschulen kommen Kinder nicht mit, weil ihnen die Sprachkenntnisse und andere Voraussetzungen für einen guten Schulstart fehlen.
  • Wohnraum wird knapper und damit auch teurer, gerade in den Städten. Kommunen schlagen Alarm – oft vergeblich.
  • Kriminalstatistiken zeigen eine überproportionale Tatbeteiligung junger Männer aus bestimmten Herkunftsländern, besonders bei Gewalt-, Sexual- und Eigentumsdelikten.

Wie zeigt sich eigentlich eine gelungene Integration?

Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob Integration schon dann gelungen ist, wenn der Zugewanderte Arbeit und eigenes Einkommen hat.

Was, wenn sich die Familie einig ist, dass die Töchter auch gegen ihren Willen verheiratet werden? Unter Integration sollte man eigentlich eine Integration auch in die Werte des Landes verstehen. Und daran hapert es bei allzu vielen Flüchtlingen, die aus patriarchalisch organisierten Ländern zugewandert sind und die hier Frauen, Schwule und Lesben, Queere und neuerdings ganz besonders Juden ablehnen, teils sogar beleidigen oder attackieren.

Nein, diese Menschen leben zwar hier und bekommen leider ruckzuck den deutschen Pass, aber integriert sind diese Menschen noch lange nicht. Und machen wir uns doch mal ehrlich: Wie viele wollen gar nicht „wie wir“ sein, einige träumen eher davon, Europa zum Kalifat zu machen.

Wer dies thematisiert, läuft schnell Gefahr, als rechtsextrem beschimpft zu werden. Statt Fakten bleibt man lieber weiterhin im Bereich des Gefühligen: Willkommen! Vielfalt! Toleranz! Deutschland wird bunt! 

Gibt es ein Fazit?

Angela Merkel sagte 2015: „Wir schaffen das.“ Zehn Jahre später sieht es aus, als würde die ganze Last und Verantwortung von der Berliner Politik nach unten durchgereicht: In die Kommunen, in die Klassenzimmer, in das Sozialsystem – und damit auf die Schultern der Steuerzahler, die den Willkommensspaß seit 2015 finanzieren müssen.

Was bleibt nach 10 Jahren?

Was bleibt, ist ein Land, das sich selbst einredet, es hätte einen moralischen Sieg errungen – während es sich ökonomisch, kulturell und gesellschaftlich aufreibt. 

Was bleibt, ist ein politisches und mediales Establishment, das mit Nebelkerzen aus frisierten Statistikzahlen die negativen Fakten ausblendet oder schönredet.

Und was auch bleibt, ist eine Bevölkerung, die sich fragt: „Wann genau wurde ich eigentlich gefragt, ob ich das alles überhaupt SCHAFFEN WILL?“

Facebook
Twitter
LinkedIn
Email
Sie möchten etwas tun? Wir freuen uns über jede Form der Unterstützung!
Aktuelle Beiträge im Blog
Weitere wichtige Links