Ein Beitrag unseres Bundesvorsitzenden Jürgen Joost
Die Grafik erklärt auf einen Blick, warum der Sozialstaat in seiner derzeitigen Struktur nicht überlebensfähig ist. Die Alterung der Gesellschaft wird am Anteil der Entwicklung Erwerbsbevölkerung (20 bis 64 Jahre – grau gestrichelte Linie) im Vergleich zu den Altersklassen ab 65 (blaue Linie) und ab 67 (orangene Linie) deutlich. Das eigentliche K.O.-Kriterium ist aber der Absturz der Geburtenrate ab Mitte der 70er Jahre („Pillenknick“ – grüne Linie) auf 1,35 Kinder je Frau im Vergleich zum für das Funktionieren der Umlagefinanzierung notwendigen Niveau von 2,1 (rot gestrichelte Linie).

Die Fakten liegen also seit 5 Jahrzehnten auf dem Tisch. Dennoch verweigern sich die Akteure – Politik, Wissenschaft, Wohlfahrtslobby und meinungsbildende Medien – der Erkenntnis, dass das unter Konrad Adenauer eingeführte Rein-Raus-System zur Finanzierung der Sozialversicherungen und insbesondere der Rente am Ende, der sogenannte „Generationenvertrag“, grandios gescheitert ist.
Adenauers fataler Irrtum
„Kinder kriegen die Leute immer“ war für den ersten Bundeskanzler die Begründung dafür, dass seine Reform auf die Dauer schon gut gehen werde. Tatsächlich bekommen „die Leute“ aber immer weniger Kinder, inzwischen liegt die Geburtenrate bei gerade noch 1,35. Die demografische Haltelinie, um diesen Begriff aufzugreifen, läge bei 2,1. Es ist Feierabend. Game over.
Und dennoch: Außer wenigen kosmetischen Korrekturen bei der Rente, zuletzt 2006 durch den SPD-Sozialminister Franz Müntefering initiiert („Nun können Sie alles ignorieren. Ich sage Euch nur, da muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volkschule Sauerland, um zu wissen, das haut nicht hin.”), wurden trotz permanent steigenden Handlungsdrucks notwendigen Konsequenzen starrsinnig verweigert.
Die Realitätsverweigerer
Im Gegenteil: In einem Zustand permanenter Realitätsverweigerung wurde die Müntefering-Kosmetik einer schrittweisen Verschiebung des Renteneintrittsalters seither durch den vorzeitigen Rentenbeginn, Abkehr vom „Nachhaltigkeitsfaktor“ und den Einbau von „Haltelinien“ aus der SPD heraus mit Unterstützung der Union gezielt unterlaufen. Die CSU packt mit der Mütterrente noch eins obendrauf.
Bevor die üblichen neuen Kommissionen überhaupt berufen sind, von denen jetzt schon jedermann ahnt, dass sie sich nur im Kreise drehen werden, werden Fakten geschaffen, die die Situation nachhaltig verschlimmern.
Demografische Dampfwalze
Das Adenauer-Modell, in dem Arbeitnehmer nicht für ihre eigene Altersvorsorge Kapital ansparen, sondern ihre Beiträge „just-in time“ zum Unterhalt der Rentner weitergeleitet werden, ist von der demografischen Dampfwalze plattgemacht worden.
Wer als heutiger Beitragszahler darauf vertraut, dass irgendwann eine nachfolgende Arbeitnehmergeneration in angemessener Höhe seine eigene Rente bezahlen wird, handelt mit Zitronen: Beim Einführung dieses Umlagesystems vor 68 Jahren haben 6 Arbeitnehmer einen Rentner finanziert, heute sind es gerademal 1,6, und es geht weiter bergab. Die häufig genannte Zahl von aktuell 1,9 ist übrigens falsch, sie benennt das Verhältnis von Menschen im erwerbsfähigen Alter, tatsächlich müssen aber nur knapp 35 Millionen Arbeitnehmer in die Sozialversicherungen einzahlen.
35 Prozent vom Einkommen
Diese Arbeitnehmer finanzieren das untragbar gewordene System in Wahrheit nicht „nur“ mit rund 21 Prozent ihres Einkommens, wie es die Gehaltsabrechnung ausweist, sondern tatsächlich mit 35 Prozent. Warum? Die Erklärung ist simple. Das tatsächliche Gehalt ist nicht das „Arbeitnehmer-Brutto“, sondern das „Arbeitgeber-Brutto“, also einschließlich der dem Arbeitnehmer zuzurechnenden hälftigen Arbeitgeberbeiträge. Korrekter Weise muss man also das Arbeitgeber-Brutto heranziehen und davon die vollständigen Sozialversicherungsbeiträge abziehen. Heraus kommen knapp 35 Prozent. Und selbst das reicht schon lange nicht mehr aus: Inzwischen muss der Staat alleine für die Rentenversicherung 140 Milliarden Euro Steuergeld ins System pumpen, um eine Explosion der Beiträge und ein Absinken des ohnehin schon traurigen Rentenniveaus zu verhindern. Diese Steuermilliarden fallen nicht vom Himmel, sondern müssen ebenfalls aufgebracht werden.
Eine ähnliche Problematik haben wir bei der Krankenversicherung. Hier pumpt der Staat selbst zwar noch nicht so viel ins System, dafür steigen die Beiträge zur Finanzierung eines intransparenten und immer teurer werdenden Gesundheitssystems.
Melkkühe der Politik
Durch die Abschöpfung von mehr als einem Drittel des Einkommens bei gleichzeitig überproportional steigenden Kosten für Wohnen und Lebensmittel wird deutlich, dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer die wahren Melkkühe der Politik sind. Die Belastung eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens liegt (ausgehend vom Arbeitgeber-Brutto) prozentual knapp über den Steuern und Abgaben, die der höchstwahrscheinlich bestbezahlte Arbeitnehmer in Deutschland, der Fußballprofi Harry Kane, leisten muss.
Das ist absurd. Und es ist das Ergebnis einer Politik, die die Anerkennung der demografischen Realitäten schon seit Jahrzehnten konsequent verweigert. Es ist eine Frage der Mathematik; Problemlösung innerhalb der bestehenden Strukturen ist nicht mehr möglich.
Der einzig bekannte Ausweg ist SAFE
Das einzige bislang vorliegende Alternativmodell ist das von Wir Bürger erarbeitete und 2021 beschlossene Konzept SAFE (Steuern, Arbeit, Familie, Existenz).
Wir haben uns seit Anfang des Jahres auf Grund der zunehmenden Dramatik erneut intensiv mit dem Konzept befasst und SAFE unter dem Gesichtspunkt der haushaltsneutralen Finanzierung und einer kurzfristigen Realisierbarkeit einschließlich der Gestaltung der Übergangsphase weiterentwickelt, ergänzt und präzisiert.
Basisabsicherung plus Eigenverantwortung
SAFE setzt auf eine steuerfinanzierte Basisabsicherung plus eigenverantwortlichen Vermögensaufbau. Das nötige Geld dafür steht für Arbeitnehmer durch die bisherigen Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile) zur Verfügung. Die Basisabsicherung wiederum wird u.a. dadurch finanziert, dass die Steuerbasis um die bislang steuerfreien Sozialversicherungsbeiträge erweitert und diese als normale Einkommensbestandteile besteuert werden.
Am 16. November wird ein Bundesparteitag über das Upgrade im Parteiprogramm von SAFE zu SAFE 2.0 beschließen. Dabei geht es nicht nur um einen Ersatz für die bestehenden Sozialversicherungen, sondern gleichzeitig für das Bürgergeld und den gesamte derzeitigen Transferdschungel sowie das bestehende Einkommensteuerrecht. Willkommene Zusatzeffekte sind ein bislang beispielloser Bürokratieabbau sowie die finanzielle Entlastung der arbeitenden Mitte um ca. 600 Milliarden € jährlich.
SAFE als Buch plus Graswurzelbewegung
In einem Programm werden naturgemäß nur Eckpunkte festgelegt. Wie SAFE als Steuer- und Sozialstaatsreform im Detail ausgestaltet, finanziert und realisiert werden kann, werde ich in aller gebotenen Ausführlichkeit einem Buch darlegen, das voraussichtlich Ende Januar 2026 erscheinen wird.
Da nicht zu erwarten ist, dass Politik, Wohlfahrtslobby und Medien eine solche notwendige Radikalkur in ihrem versammelten Strukturkonservatismus goutieren werden, werden wir parallel versuchen, eine Graswurzelbewegung zu initiieren. Die Lage ist zu ernst, um sie den üblichen Verdächtigen zu überlassen.
